Die Große Pyramide

des Königs Cheops in Giza

Felskern und Steinbrüche

I. Der Felskern

Der massive Felskern, über dem die Cheopspyramide errichtet wurde, ist bereits als Standortkriterium erwähnt worden. Seine exakte Form ist unbekannt, da er sich nur an fünf Stellen wirklich sicher nachweisen läßt. Diese Stellen sind [ 1 ]:

Die fünf sicher bestimmbaren Punkte des Felskerns in der Draufsicht.
  1. Der Punkt, an dem der Absteigende Gang, der vom Eingang her gemauert ist, auf den Felsen stößt. Der Felsen liegt hier 3 m über dem Fundamentpflaster (= 0 m Höhe).
  2. Der Punkt, an dem der sog. Grabräubertunnel in den Felsen übergeht. Er befindet sich 7 m über dem Fundamentfplaster [ 2 ].
  3. Die Nordwest-Ecke der Cheopspyramide besteht allein aus dem Felskern. An beide angrenzende Seiten zieht er sich über eine beträchtliche Länge hin (keine Höhenangabe).
  4. Die Nordost-Ecke der Cheopspyramide, die bis auf eine Höhe von 1,95 vom Fundamenpflaster aus dem Felskern besteht. Hier läßt sich gut die Abstufung des Kerns sehen, die zur Aufnahme von Blöcken des Kernmauerwerks dient.
  5. An der Südseite, nahe der Südost-Ecke, steht der Felskern als Kernmauerwerk zwei Stufen hoch an. Sichtbar, weil Verkleidung und Backing Stones an dieser Stelle völlig fehlen.
Die sicher bestimmbaren Punkte des Felskerns in der Seitenansicht von Osten. Der weitere Verlauf des Felskerns ist rein hypothetisch.

Aus diesen Feststellungen läßt sich schließen, daß der Felskern einen erheblichen Teil der Gesamtfläche der Pyramide einnimmt, vielleicht nur geringfügig weniger als die Gesamtfläche der Cheopspyramide. Der Kern dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit in Terrassen abgearbeitet worden sein, wobei Fissuren im gewachsenen Felsen mit besserem Kalkstein ausgebessert wurden [ 3 ]. Eine sichere Schlußfolgerung aus der Existenz dieses Kerns ist aber in jedem Fall, daß die Pyramide von Anfang an in der bestehenden Größe geplant worden sein muß [ 4 ]. Stadelmann weist daraufhin, daß der Felskern am Grabräubertunnel noch weit vom Zentrum der Pyramide entfernt ist und so mit einem weiteren Anstieg in dieser Richtung zu rechnen sei, der eventuell bis direkt unter die Königinnenkammer reicht, also in eine Höhe von rund 20 m [ 5 ]! Diese Möglichkeit, die sicher besteht, würde eine Ersparnis an Baumaterial von ca. 25% mit sich bringen [ 6 ].

Aber selbst damit ist der Standortvorteil noch nicht ausreichend umrissen. Wenn man davon ausgeht, daß der Kern, besonders an den Seiten und Ecken, an denen er nachweisbar ist, deutlich über die Begrenzung der Pyramide hinausreichte, was zwangsläufig der Fall sein mußte, weil er dort noch relativ hoch ansteht, dann lag der Steinbruch für einen weiteren erheblichen Teil des Kernmauerwerks direkt an der Pyramide selbst. Diese sicherlich nicht geringe Menge konnte in einem Arbeitsgang bei der Nivellierung des Geländes gewonnen und fast ohne Transportaufwand umgehend in das Kernmauerwerk der Pyramide eingefügt werden [ 7 ]. Die Einsparung könnte also unter gewissen Voraussetzungen und unter diesem Gesichtspunkt deutlich über 25% liegen und die größte Pyramide und das oft gepriesene Wunder ihrer Errichtung damit erheblich "entzaubern"! Da aber neben diesen fünf Punkten Form und Ausmaße des Felskerns rein hypothetisch sind, und da er weiterhin kaum regelmäßig verlaufen wird, ist jede Rechnung mit Zahlen nicht sehr sinnvoll. Dementsprechend werden auch weit geringere Einsparnisse im Verhältnis zum Gesamtvolumen angegeben [ 8 ].

II. Die Steinbrüche

Neben dem direkt anstehenden Plateau, dessen Material also sicher in den Pyramiden verwendet wurde, existieren natürlich weit größere Steinbrüche. Westlich der Cheopspyramide existiert jedoch keiner, der für die Errichtung der Cheopspyramide in Frage käme [ 9 ]. Dazu kann der Baubeginn des Westfriedhofs auf das Jahr 5 in Cheops' Regierung datiert werden [ 10 ]. Gleiches gilt für die Ostseite, an der das Jahr 15 nachgewiesen ist [ 11 ]. Dort ist auch - wie es besprochen wurde - viel eher eine Art Baubüro anzunehmen. Rampen bzw. Transportstraßen [ 12 ] aus diesen Richtungen sind daher praktisch aus mehreren Gründen ausgeschlossen. Auch an der durch den nahen Abfall des Plateaus abgegrenzten Nordseite ist kein Steinbruch auszumachen [ 13 ].

Lage der Steinbrüche auf dem Gizaplateau.

Die Quintessenz dieser Feststellungen führt unweigerlich zu den gewaltigen Steinbrüchen 300 bis 600 m südlich der Cheopspyramide [ 14 ]. Über die exakte Ausdehnung des Cheopssteinbruches gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen und einige Schwierigkeiten, da sowohl Cheops als auch Chephren nachweislich in den selben Steinbrüchen tätig waren [ 15 ]. Lehner gibt die ostwestliche Ausdehnung mit etwa 230 m, die norsüdliche mit mindestens 400 m an, wobei die maximale Tiefe in der Mitte des sog. "Central Field" 30 m beträgt [ 16 ]. Aus diesen Angaben hat Lehner mit Hinweis auf die Unzulänglichkeiten ein Volumen von 2.760.000 m3 errechnet und mit dem von Stadelmann bestimmten Wert 2.590.000 m3 in Beziehung gesetzt [ 17 ]. Bestätigt wird die Zuweisung des Steinbruchs an Cheops durch die geochemische Analyse von Proben des Steinbruchs westlich des Chentkaus-Grabmals, welches selbst im Kern aus einem stehengelassenen Sockel im Steinbruch besteht [ 18 ]. In der Nordwestecke und im Süden des großen Steinbruchs, direkt südlich des Chephren-Aufwegs, befinden sich Felsgräber aus der Zeit des Chephren [ 19 ]. Da man nicht annehmen kann, daß Felsgräber in einem in Arbeit befindlichen Steinbruch eingebracht wurden, ist es wahrscheinlich, daß dieses Gebiet von Cheops ausgebeutet wurde.

Nachweislich wurde der Steinbruch südlich des Aufwegs der Cheopspyramide für das Kernmauerwerk verwendet [ 20 ]. Der Steinbruch setzt bald südlich des Cheopsaufwegs direkt am Steilhang an und führt über diesen nach Süden herunter bis fast zum Sphinx. Dieses Material kann unmöglich über die Ostseite herangebracht worden sein (s.o./u.) [ 21 ].

Mutmaßlicher Weg der Steine von den Steinbrüchen zu den Rampen an der Pyramide.
Kein wirklicher Nachweis ist z.Zt. über den Steinbruch zu erbringen, in dem heute der Sphinx steht. Er erstreckt sich von dort bis direkt südlich des Friedhofs GIS [ 22 ]. Die Sphinxformation wurde bei den Arbeiten sicher bewußt stehengelassen, so daß die Klärung dieser Frage gleichzeitig die Antwort auf den Erbauer des Sphinx mit sich bringt [ 23 ]. Bisher wird diese Frage entweder zugunsten von Cheops [ 24 ] oder Chephren [ 25 ] beantwortet. Goyon und Stadelmann [ 26 ] wollen sogar die Schichtungen des Gesteins am Sphinx im Kernmauerwerk der Pyramide wiederfinden. Lehner geht davon aus, daß dieser Steinbruch höchstens von Cheops begonnen wurde. Als Begründung führt er an, daß der Steinbruch auf den natürlichen Rücken des Chephren-Aufwegs Rücksicht nimmt [ 27 ]. Allerdings gilt ja genau das auch schon für den Steinbruch südlich dieses Aufwegs, der nachweislich von Cheops ausgebeutet wurde! Schon hier hätte man dann konsequent feststellen müssen, daß Cheops den Rücken für seinen Nachfolger absichtlich belassen hat! Die im Steinbruch erhaltene Rampe führt auf die Cheops- und nicht auf die Chephrenpyramide zu. Lediglich der westlichste obere Teil des GIS-Steinbruchs, der nur geringe Tiefe aufweist und ein oberes Plateau bildet, liegt tatsächlich sicher im Bereich des Transportweges vom Central Field zur Cheopspyramide und kann von Cheops nicht während des Pyramidenbaus benutzt worden sein [ 28 ]. Dagegen ist gerade die Rampe, die auf dieses höhere Niveau und die Cheopspyramide zuführt, bestens geeignet, um das Steinmaterial aus dem Bereich des Sphinx zur Cheopspyramide zu transportieren. Es wird kaum Zufall sein, daß auch der Steinbruch des östlichen Steilhanges, dessen Zuweisung zu Cheops sicher ist, genau bis dort herunter reicht, wo er auf den GIS-Steinbruch am Sphinx trifft. Da das Material von dort (s.o.) nicht über die Ostseite eingbracht werden konnte, ist gerade die Kreuzung des GIS-Steinbruch und des östlichen Steinbruchs am Sphinx neben dem Central Field der Hauptsteinbruch des Cheops.

Da das Central Field nun nachweislich auch von Chephren ausgebeutet wurde, und das dortige Volumen für die Cheopspyramide nicht ausreicht, wird man wohl zwangsläufig davon ausgehen müssen, daß der GIS-Steinbruch zu wesentlichen Teilen von Cheops ausgebeutet wurde, und schließlich kann das nichts anderes bedeuten, als daß die Sphinxformation von Cheops belassen wurde.

Die Verkleidung der Pyramide sowie Teile des Kernmauerwerks sind mit dem qualitativ weit besseren Kalkstein aus Mokattam vom Ostufer ausgeführt [ 29 ]. Ob auch Steine vom Steinbruch in Tura, südlich von Kairo, in der Cheopspyramide Verwendung fanden, ist nicht gesichert, obschon der Turasteinbruch im Alten Reich intensiv ausgebeutet wurde. Jedoch kam bei der Besetzung des Steinbruchs durch das Militär 1942 ein Block zutage, der in der Größe gearbeitet war, wie er in den Pyramiden Verwendung fand. Er war noch auf einen Holzschlitten montiert [ 30 ]! Eine Analyse von Rosemarie und Dietrich Klemm erbrachte, daß einzelne Steine aus den Pyramiden von Giza teilweise aus Brüchen stammen, die über ganz Ägypten verstreut sind [ 31 ]. Der verwendete Rosengranit in den Entlastungskammern stammt selbstverständlich aus den Brüchen bei Assuan [ 32 ]. Der Basalt des Pflasters im Pyramidentempel stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Fayum [ 33 ].

Anmerkungen

[ 1 ] Liste nach MR IV, p. 12.
[ 2 ] vgl. Perring, Pyramids I, p. 2.
[ 3 ] MR IV, p. 12.
[ 4 ] Stadelmann, Pyramiden, S. 111.
[ 5 ] ders., Giza, S. 109.
[ 6 ] ibd., S. 132.
[ 7 ] vgl. Klemm & Klemm, Steine und Steinbrüche, S. 54 mit Text zu Abb. 52, S. 59.
[ 8 ] z.B. bei Goyon, Le secret, p. 171f.; Lauer, Pyramiden, S. 50.
[ 9 ] Lehner, Contextual Approach, p. 148.
[ 10 ] ibd., Reisner, History I, p. 83f.
[ 11 ] Lehner, op.cit., p. 148, Reisner, History I, p. 72.
[ 12 ] vgl. Arnold, Probleme des Pyramidenbaus, S. 15ff.
[ 13 ] Lehner, op.cit., S. 148. Reisner, op.cit., pp. 10-19, hat in seiner bemerkenswerten Ortsbeschreibung die Ost- und Nordflanken des Plateaus als Steinbruchgebiet beschrieben. Lehner, op.cit., p. 148, n. 43, weist dies u.a. mit der Begründung zurück, daß aus den dortigen Nummulithenbänken keine Blöcke zu gewinnen sind und auch keine Spuren von einem solchen Abbau zeugen.
[ 14 ] Lehner, Development, p. 121.
[ 15 ] Klemm & Klemm, Steine, S. 54-59.
[ 16 ] Lehner, op.cit., p. 121.
[ 17 ] ibd, p. 121f.; Stadelmann, Snofru und die Pyramiden von Medum und Dahschur, S. 438.
[ 18 ] Klemm & Klemm, op.cit., S. 54; zur geochemischen Methode der Analytik S. 192-197.
[ 19 ] ibd., S. 55, Abb. 55; Lehner, Contextual Approach, p. 149.
[ 20 ] Klemm & Klemm, op.cit., S. 193 mit Text zu Abb. 212a-c.
[ 21 ] vgl. jedoch Fakhry, Pyramids, p. 123.
[ 22 ] Lehner, Development, p. 124.
[ 23 ] vgl. Lehner, ARCE Sphinx Project, p. 5; Aigner, Geologie, S. 384-385.
[ 24 ] Reisner, op.cit., p. 26; Goyon, Le secret, p. 119.
[ 25 ] Lehner, Development, p. 112.; Hawass, The Great Sphinx, bes. pp. 182-183.
[ 26 ] Goyon, Les rangs d'assises, p. 408-409; Stadelmann, op.cit., S. 114, 172.
[ 27 ] Lehner, op.cit., p. 124, 125.
[ 28 ] ibd., p. 124, 129.
[ 29 ] Klemm & Klemm, op.cit., S. 64.
[ 30 ] ibd., S. 68f.
[ 31 ] nach Lehner, Contextual Approach, S. 148, n. 44., der diese Feststellung doch einigermaßen anzweifelt.
[ 32 ] MR IV, p. 96, Observations 1; Klemm & Klemm, op.cit., S. 305, 321.
[ 33 ] Lucas & Harris, Ancient Egyptian Materials, pp. 61-62.

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