Die Große Pyramide

des Königs Cheops in Giza

Die Bootsgruben III

Blick in Bootsgrube #3. Mit freundlicher Genehmigung von Gitta Warnemünde.

Die Bootsgruben #3, #4 und #5 wurden ohne Boot und lediglich versandet aufgefunden. Sie bestehen allein aus jeweils einem bootsförmigen, bzw. annähernd bootsförmigen Einschnitt in das Felsplateau. Die Gruben #3 und #4 flankieren an der Ostseite den Pyramidentempel und sind jeweils nordsüdlich ausgerichtet. Dabei spiegeln sie fast die Genauigkeit wieder, die auch im Bau der Pyramide oft hervorgehoben wird. Von einer gedachten, ostwestlichen Mittellinie durch die Pyramide und den Tempel liegen die Gruben 35,32 (#3) und 35,05 m (#4) entfernt [ 1 ]. Grube #5 dagegen wurde - wie z.B. später bei König Unas - am Rand des Aufwegs angebracht.

#3

Bootsgrube #3, nach MR IV, Tav. 9, Fig 1.

Grube #3 befindet sich 28,50 m von der Ostseite der Pyramide und 8,33 m südlich der rekonstruierten Umfassungsmauer des Pyramidentempels. Die Gesamtlänge der Grube beträgt 53,18 m, ihre Tiefe etwa 8 m. Die Achse der Grube ist um +4'9'' zur Kante der Pyramide verschoben. Die Breite der Grube an der Nordseite beträgt 3,41 m, an der Südseite 5,22 m. Reste von Aufmauerungen und Mörtelspuren weisen offensichtlich daraufhin, daß die Grube innen einst mit Kalksteinplatten verkleidet und - ähnlich der Gruben an der Südseite - abgedeckt war [ 2 ]. Vorsprünge an der Nord- und Südseite der Grube legen das ebenso nahe, wie die Existenz einer seitlichen Aufmauerung, die zur Überbrückung der 8 m Breite notwendig gewesen sein muß [ 3 ]. Nach Ansicht von Maragioglio & Rinaldi hätte es für diesen Abstand mindestens 10 m langer und 2 m starker Rosengranitblöcke bedurft - von denen es keine Spur gibt. Die Aufmauerung im Innern der Grube reduziert aber die Breite auf rund 5 bis 5,5 m. Weiterhin gehen die beiden Italiener davon aus, daß die obere Aufmauerung gekragt wurde, um mit einer maximalen Breite von 3 bis 3,5 m die Abdeckung der Grube zu ermöglichen.

#4

Längsschnitt rekonstruierte Bootsgrube #4, nach MR IV, Tav. 10, Fig. 8.

Grube #4 wurde ca. 27,50 m von der Ostseite der Pyramide und 8,08 m von der Nordwand des Pyramidentempels ins Plateau geschnitten [ 4 ]. Mit 54,11 m ist sie die größte Bootsgrube Ägyptens [ 5 ]. Ihre Achse ist um +7'53'' gegen die Pyramidenkante verschoben. Bisher liegt keine Erklärung für diese Abweichung vor. Die Außenseiten der Grube sind vertikal in den Fels geschnitten. Dabei wurden die Seiten im nördlichen Teil teilweise geglättet. Im südlichen Teil gibt es einen Vorsprung, der westlich nummulithische Kalksteinblöcke und östlich weiße Kalksteinblöcke trägt. Die Breite der Grube beträgt etwa 7 m, ihre Tiefe mindestens 8 m [ 6 ].

Draufsicht Bootsgrube #4, nach MR IV, Tav. 10, Fig. 9.

Schnitt durch rekonstruierte Innenverkleidung von Bootsgrube #4, nach MR IV, Tav. 10, Fig. 7.

Anhand dieses Befundes ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die Gruben #3 und #4 durch eine Innenverkleidung letztlich einfache längsrechteckige Innenräume hatten - wie die beiden Gruben #1 und #2 auf der Südseite. Maragioglio & Rinaldi halten es für wahrscheinlich, daß die Gruben gedeckt waren und mit einer Schicht Bruchstein oder gar einem darüber verlegtem Pflaster an der Oberfläche unsichtbar blieben [ 7 ]. Ob die beiden Gruben #3 und #4 jemals ein Boot besaßen, wie es bei #1 und #2 der Fall ist, läßt sich nicht mehr bestimmen. Der Befund macht es jedoch nicht ganz unwahrscheinlich, auch wenn man sich für diesen Fall eigentlich ein paar kleine Reste - z.B. von Holz oder wenigstens Holzsplittern - vorstellen möchte. Alternativ wäre es denkbar, daß in den beiden Gruben ein Modell von Schiffen aufgemauert war, wie das z.B. am Sonnenheiligtum des Königs Neussere der Fall ist [ 8 ]. Aber auch hierfür lassen sich keinerlei durchschlagenden Indizien anführen. Der Befund schließt diese Lösung allerdings nicht völlig aus. Möglicherweise ließe sich die seitliche Aufmauerung auch als Rest eines steinernen Modells eines Schiffes deuten, das teils in die Grube eingebaut war [ 9 ].

Die Gruben teilen damit das Schicksal des Pyramidentempels, nämlich die immense Zerstörung und den fast vollkommenen Steinraub auf dem ganzen Areal östlich der Cheopspyramide. Eine Deutung ist kaum möglich. Hassan fand in dieser Bootsgrube das bereits beim Aufweg beschriebene Reliefbruchstück mit dem Namen der Pyramide [ 10 ] und das Bruchstück eines roten Gefäßes [ 11 ]. Beide sind zweifellos beim Steinraub dort zurückgeblieben [ 12 ]; das Relief dürfte - wie bereits besprochen - aus dem Pyramidentempel stammen.

#5

Draufsicht Bootsgrube #5, nach MR IV, Tav. 9, Fig. 1.

Ganz anders ist die Lage bei Grube #5. Schon die äußere Erscheinung unterscheidet sich fundamental von den anderen Gruben. Sie befindet sich direkt nördlich des Aufwegs zum Pyramidentempel, ist um 76°2'26'' von Nord nach Ost gedreht und hat eine Treppe bestehend aus 18 Stufen, über die man vom Pyramidentempel her in die Grube hinabsteigen konnte - und wohl auch zu einem bestimmten Zeitpunkt sollte [ 13 ]. Nachdem man über 21,70 m die Stufen hinabgestiegen ist, trifft man auf einen 20,88 m langen unteren Teil ("cradle" genannt), der eindeutig die Form eines Bootes aufweist.

Längsschnitt durch Bootsgrube #5, nach MR IV, Tav. 9, Fig. 11.

Die Treppe sollte nicht auf Dauer begehbar sein. Auf ihr finden sich Kalksteinblöcke in situ, mit denen die Grube - möglicherweise nach dem Begräbnis - verschlossen wurde. Große Vorsprünge und in den Felsen geschnittene Löcher in der Ostseite der Grube machen eine Abdeckung sehr wahrscheinlich [ 14 ]. Die maximale Breite beträgt 3,75 m, so daß 5 m lange und 1,50 m breite Kalksteinbalken ausgereicht hätten [ 15 ]. Daß in dieser Grube ursprünglich ein Boot stand - der Form der Grube nach möglicherweise zusammengebaut, aber in kleinerem Maßstab! - ist absolut sicher belegt durch die Funde von Reisner, der beim Ausräumen Tauwerk und Holzfragmente (mit Gold beschlagen!) fand [ 16 ].

In dieser Grube fand Hassan die Schulter einer Granitstatue [ 17 ] und den Kopf eines Löwen [ 18 ]. Der Kopf dürfte kaum aus dem Alten Reich herrühren, während die Schulter eventuell von einer Statue des Cheops stammen könnte, die vor dem Steinraub im Pyramidentempel stand [ 19 ].

Anmerkungen

[ 1 ] Alle Maße nach MR IV, p. 70; Tav. 9, Fig. 1.
[ 2 ] ibd., p. 170-172, Obs. 54.
[ 3 ] Petrie fand sie noch in situ vor.
[ 4 ] Alle Maße nach MR IV, p. 70; Tav. 9, Fig. 1.
[ 5 ] O'Connor, Boat Graves and Pyramid Origins, p. 13.
[ 6 ] MR IV, p. 172, Obs. 54. Für die Ecken beider Gruben vgl. Petrie, Pyramids, Pl. II. Petrie hat die Bedeutung der Gruben nicht erkannt und nannte sie nur "Trenches".
[ 7 ] ibd., gegen Haasan, Giza X, p. 38.
[ 8 ] Borchardt, Re-Heiligtum, S. 52-54; Blatt 5.
[ 9 ] das Plateau als Wasserlinie, ähnlich Neusseres Anlage? vgl. de Buck, Oerheuvel, S. 28f.
[ 10 ] Hassan, op.cit., p. 35, Pl. VII B.
[ 11 ] ibd., p. 37; Pl. XI B.
[ 12 ] vgl. Stadelmann, Giza, S. 209, Anm. 51.
[ 13 ] MR IV, p. 70; Tav. Fig. 1, 11.
[ 14 ] ibd.; so auch Hassan, op.cit., p. 38.
[ 15 ] MR IV, p. 170-172, Obs. 54.
[ 16 ] vgl. Goyon, Le secret, p. 266. Reisner Bericht dazu konnte ich nicht ausfindig machen.
[ 17 ] Hassan, op.cit., p. 37, Pl. XI A.
[ 18 ] ibd., Pl. XI C.
[ 19 ] vgl. Stadelmann, op.cit., S. 164.

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