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Die Grabplatte von Palenque

Frakturen in Raum, Zeit und Theorie

Seit mehr als 30 Jahren gilt eine Darstellung des Königs Pacal von Palenque in der Präastronautik als wesentliches Indiz für den Besuch außerirdischer in der Vergangenheit. Das Indiz - eigentlich wird sogar von einem "Beweis" gesprochen - besteht aus einer Darstellung des Königs auf einer Platte, die Pacals Sarg bedeckt. Die Darstellung wird von den Befürwortern so beschrieben:

"Da sitzt ein menschliches Wesen, mit dem Oberkörper vorgeneigt, in Rennfahrerpose vor uns; sein Fahrzeug wird heute jedes Kind als Rakete identifizieren. Das Vehikel ist vorn spitz, geht über in merkwürdig gerillte Ausbuchtungen, die Ansauglöchern gleichen, wird dann breiter und endet am Rumpf in eine züngelnde Feuerflamme. Das Wesen selbst, vornübergeneigt, bedient mit den Händen eine Reihe undefinierbarer Kontrollgeräte und setzt die Ferse des linken Fußes auf eine Art von Pedal. Seine Kleidung ist zweckentsprechend: Eine kurze, karierte Hose mit einem breiten Gurt, eine Jacke mit modernem japanischem Halsausschnitt und dicht abschließende Arm- und Beinbänder. Es würde, in Kenntnis korrespondierender Darstellungen, verwundern, wenn der komplizierte Hut fehlen würde! Er ist da mit Ausbuchtungen und Röhren, wieder eine antennenähnliche Kopfbedeckung. Unser so deutlich dargestellter Raumfahrer ist nicht nur durch seine Pose in Aktion - dicht vor seinem Gesicht hängt ein Gerät, das er starrend und aufmerksam beobachtet. Der Vordersitz des Astronauten ist vom hinteren Raum des Fahrzeugs, in dem man gleichmäßig angeordnete Kästen, Kreise, Punkte und Spiralen sieht, durch Verstrebungen abgetrennt." [ 1 ]

Schrift, Kultur, Religion und Königtum der Maya sind heute in großer Breite und ausreichender Tiefe erforscht, sodaß es nun eigentlich die richtige Vorgehensweise wäre, die Argumente aus diesem Bereich, die für oder gegen ein Raumschiff sprechen, zu besprechen und abzuwägen [ 2 ]. Aber solche Argumente gibt es bis heute nicht! Und somit stehe ich vor der unangenehmen Aufgabe, aus dem wirren Knäul an Vermutungen, Verdrehungen und Zirkelschlüssen, aus Abschreibfehlern und unhaltbaren Vorwürfen gegen die Altamerikanistik das herauszufiltern, was an echter Argumentation übrigbleibt. Erst nachdem das geschehen ist, kann auf die Argumentation der Wissenschaft eingegangen werden.

Von Däniken hatte sich Jahre nach der obigen Erklärung nocheinmal mehr oder weniger ausführlich mit der Grabplatte befaßt [ 3 ]. Zwischenzeitlich, so Däniken, wußte er auch "was einzelne Glyphen bedeuten" und kommt trotz einer "Relativierung" seiner Raumschiff-These zu keinem anderen Schluß. Seine Begründung für die Aufrechterhaltung der These besteht in erster Linie darin, daß sich selbst die Ansichten der untersuchenden Archäologen so weit widersprechen, daß die gesamte archäologische Interpretation auf "wackligen Füßen" steht. Leider führt er diesen Vorwurf nicht weiter aus [ 4 ]. Er profitiert lediglich davon, daß im Erscheinungsjahr seines Buches, 1984, ein nicht unerheblicher Teil der Inschriften noch nicht in Monographien übersetzt war. Dennoch wäre es ihm möglich gewesen, sich einigermaßen ausführlich mit der Symbolik der Platte zu befassen, doch leider übergeht er alle zur Verfügung stehenden Informationen in typisch dänikianischer Überheblichkeit. Von Däniken argumentiert:

"Ich bin nicht der Meinung, die Grabplatte zeige eine Raumfahrerkapsel in technisch perfekter Manier" [ 5 ].

Dänikens Aussage ist eindeutig: das Bild stellt laut seiner Ansicht keine technisch perfekte Wiedergabe dar. Neben Däniken gibt es noch einen weiteren Befürworter der Palenque-Raumschiffs-These: Peter Fiebag. Dieser schrieb ein ausführliches Buch zur Thematik, in dem er neben einigen Standard-Archäologiequellen auch weitreichend bezug auf Erich von Däniken nimmt - und diesen auch zitiert. So zum Beispiel den oben angeführten Satz. Nur sieht dieser bei Peter Fiebag plötzlich so aus [ 6 ]:

"Ich bin der Meinung, die Grabplatte zeigt eine Raumfahrerkapsel in technisch perfekter Manier."

Erstaunlich: Wo ist denn von Dänikens "nicht" geblieben? Gerade eben sah dieser in der Platte ausdrücklich keine exakte Darstellung. Peter Fiebag aber, wie man aus seinen nachfolgenden Argumenten entnehmen kann, schließlich doch. Er verwendet daher ein Zitat des Altmeisters von Däniken als Beleg seiner gegensätzlichen These - durch Auslassung eines kleinen, unscheinbaren Worts. Diese Aussagen-Transmutation ist selbst für PS-Alchimisten außergewöhnlich. Ein Abschreibefehler? Es ist vielleicht gleichgültig, wie man die Platte behandelt - nach PS-Gustus kommt hinten immer ein Raumschiff heraus!

Nach von Däniken handelt es sich um die Darstellung eines Maya-Priesters, der der Nachwelt eine "bildliche Darstellung" eines extraterrestrischen Besuches hinterlassen wollte. Dabei soll der Priester nichts von Technik verstanden haben, sondern nur das wiedergegeben haben, was er selbst gesehen hatte [ 7 ]. In diesem Sinne handelt es sich, so von Däniken weiter, um eine "naive Bildkomposition". Zweifellos also keine "technisch perfekte Manier".

Bei Fiebag sieht das anders aus. Seine Argumentation zielt deutlich darauf ab, daß die Platte ein Raumschiff in "technisch perfekter Manier" zeigt. Dazu zitiert er den ungarischen Ingenieur Tóth [ 8 ]:

"In Gedanken entfernen wir die reinen Symbole..., zeichnen nach den Gesetzen der technischen Zeichnung die sichtbaren Kanten und Konturen nach, ziehen wir die Mittellinie und setzen den Piloten in den Sitz..."

Dies und die Fortführung dessen zeigt, daß die sog. "Rekonstruktion" aus Weglassungen und Hinzufügungen nachträglich aber nicht ursprünglich zur "technisch perfekten Manier" erhoben wird. Genausogut könnte man eine Perry Rhodan-Rißzeichung als Grundlage nehmen. Auch ein Vergleich mit der dazugehörigen Zeichnung [ 9 ] zeigt, daß die "technisch perfekte Manier" von der Darstellung auf der Platte weit entfernt ist. Welche Schlußfolgerungen ich daraus ziehen könnte und welche Argumente man damit für eine Darstellung eines Raumschiffes finden mag, entzieht sich meiner Kenntnis. Allein der Umstand, daß man so oder so davon ausgehen müßte, daß ein Indianer aus dem Beobachten eines Raumschiffs eine "Querschnittzeichung" erstellt haben könnte, führt zu Problemen solchen Ausmaßes, daß die Proponenten dieser These auf eine Stellungnahme zu dieser zwangsläufigen Konsequenz lieber verzichtet haben. Auch von Däniken muß irgendwie übersehen haben, daß - ein Raumschiff angenommen - es so nicht gesehen worden sein kann.

Wie schon vor ihm von Däniken führt auch Fiebag die unterschiedlichen Auffassungen der Wissenschaftler über die Grabplatte an, was nicht viel Sinn macht, da der Großteil dieser Meinungen erheblich vor der entscheidenden Entzifferung geäußert wurde und nur noch antiquarischen Wert besitzt [ 10 ]. Die dazwischenliegenden Lesungen der modernen Maya-Forschung von Sabloff, Schele und Freidel widersprechen sich keineswegs. Und damit ist seine Vorab-Schlußfolgerung, "bis heute gibt es keine einheitliche offizielle Meinung zur 'Lesart' des Sargdeckels", leider falsch und frei erfunden.

Zunehmend groteske Züge nimmt eine weitere Behauptung Fiebags an, die man genau lesen sollte:

"Noch 1990/91 hatten Schele und Freidel behauptet, es müsse eine Reise des Maya-Königs nach Xibalba zum "Ort der Angst" abgebildet sein. 1992 gelangten dieselben Wissenschaftler zusammen mit dem Ethnologen Parker zu der Erkenntnis, daß Xibalba nicht immer mit der Unterwelt lokalisiert wurde." [ 11 ]

Darauf folgt ein Zitat ohne Literaturangabe, in dem Schele Xibalba mit der Milchstraße gleichsetzt. Scheles Werk von 1990/91 ist aber eindeutig mit der Fußnote 9 versehen, und bezieht sich damit auf "A Forest of Kings", und dort steht in der deutschen Übersetzung, die direkt aus dem amerikanischen erfolgte [ 12 ]: "Bei Sonnenuntergang wechselt Xibalba auf den Platz über der Erde, um dort zum Nachthimmel zu werden." Und noch detaillierter wird auf S. 66 sogar die Begründung der Maya-Astronomie auf die Lage Xibalbas im Himmel zurückgeführt. Der ganze Beleg und die Anspielung, Schele hätte mit der Lage von Xibalba ihre Meinung geändert, ist ebenfalls nur erfunden! Zu was das überhaupt gut gewesen sein soll, bleibt ebenso unklar. Offensichtlich geht Fiebag davon aus, daß das Vorspielen einer unklaren wissenschaftlichen Ansicht ihm den nötigen Spielraum für seine Interpretationen gibt. Aber vielleicht spricht Fiebag ja auch von einem Werk von Freidel & Schele und Parker, das er nur vergessen hat zu erwähnen?! So eines gibt es tatsächlich, nämlich "Maya Cosmos" [ 13 ], aber das ist nicht von 1992, sondern von 1993. Und auch dort ist auf S. 87 unzweideutig zu lesen:

"When the Milky Way is lying down flat, rimming the horizon, the aera overhead is completely dark. This ist the portal into which Pakal falls on his sarkophagus lid and out of which beeings of the Otherworld emerge."

Gewissermaßen der Höhepunkt des Vortrages wird auf den Seiten 44-48 erreicht. Fiebag pickt sich ein paar Symbole heraus, die in der Mayaforschung "kosmische" Bezüge aufweisen. Es sind die Symbole des Wacah Chan oder z.B. die des Himmelsmonsters, aus denen das sog. Raumschiff selbst besteht. Genau diese "kosmischen" Bezüge, die sich aus den Symbolen ableiten, führen ihn schließlich zu der Feststellung, daß es sich dabei um die Darstellung eines Raumschiffs handelt. Der Zirkelschluß seiner Darlegung, daß nämlich die Symbole selbst sein Raumschiff bilden, fällt ihm gar nicht auf! Die Symbole sollen beweisen, daß sie keine Symbole, sondern eine technische Zeichnung sind, während die technische Zeichnung die Aussage der Symbole bestätigt und zeigt, daß die Symbole in Wirklichkeit eine technische Zeichnung bilden. Wie an dieser Stelle noch erklärt werden könnte, daß es sich um eine Darstellung in "technisch perfekter Manier" handelt, bleibt ein unergründbares Geheimnis, auf das auch mit keinem weiteren Wort mehr eingegangen wird. Daß die Altamerikanisten diesen Zirkelschluß nicht mitmachen, kommentiert Fiebag schon vorab und ohne, daß er auch nur irgendetwas von Wert herausgefunden hätte, so: "Aber es paßt eben nur schlecht in das verkrustete Weltbild mancher Forscher." [ 14 ]

Wenn sich Fiebag schließlich doch noch zum Versuch einer Argumentation durchringen kann, endet es fast dramatisch. Richtig stellt er fest, daß sich auf dem Wacah Chan, dem Weltenbaum, der die Szenerie bestimmt, die Hieroglyphe te für Baum befindet. Aber daraus wird nichts, denn seiner Meinung nach ist damit nur ein "baumähnlicher Gegenstand" dargestellt - ein Raumschiff also! Nicht nur, daß ein Baum beim besten Willen keine Ähnlichkeit mit einem Raumschiff hat, und daß die Rekonstruktion, die Fiebag seinen Lesern selbst anbietet, mit einem Baum überhaupt nichts zu schaffen hat - die Annahme, daß dort Baum draufsteht, weil damit ein Baum gemeint ist, ist ihm nicht nachvollziehbar. Und so entsteht - gewissermaßen als Krönung - ein doppeltes Fazit. Zunächst nämlich wird festgestellt, daß er aus seiner Darlegung keine Widersprüche zu einem "stilisiert" dargestellten Raumschiff findet [ 15 ]. Aber schon mit der Bildunterschrift zu Abb. 14 wird es zur Gewißheit: "Hieroglyphen bestätigen: Die Grabplatte zeigt einen Menschen in einem Raumfahrzeug."

Obwohl ich ein fleißiger Konsument grenzwissenschaftlicher Literatur bin, ein solcher Unfug ist mir noch nicht untergekommen. Das unglaubliche an dieser Geschichte ist, daß Fiebag die Literatur, die ihm Stück für Stück erklärt, was auf der Platte zu sehen ist und was es im Einzelnen bedeutet, zur Verfügung steht. Schließlich verweist er ständig auf sie. Diese Information, und allein sie wäre wichtig gewesen, stellt er dem Leser nicht zur Verfügung! Das mag zu einem guten Teil daran liegen, daß Fiebag mit vielen Begriffen so umgeht, als hätte er sie das erste Mal in seinem Leben gehört. Allein schon seine Ausdeutung des kosmischen Monsters auf S. 45 beweist, daß er von der ganzen Materie nicht die geringste Ahnung hat. Hätte er die Bücher wirklich gelesen - in diesem Falle ausgerechnet "Maya Cosmos" - dann wüßte er, daß damit nicht ein "Weg ins All, vorbei an Sonne und Planeten" gemeint ist [ 16 ], sondern der Punkt der Milchstraße, der von der Erde aus gesehen die Ekliptik kreuzt [ 17 ]. Allein mit dieser Feststellung wäre schon die ganze Symbolik der Platte erläutert! Auch sein Verständnis des Begriffes "Kosmos" ist völlig falsch und wird in der Altertumswissenschaft ganz anders gebraucht. Für ihn stellt sich darin die moderne Begrifflichkeit des Weltalls dar - und zwar auch dann, wenn er die Wissenschaft zitiert. Diese aber meint mit "Kosmos" das räumliche und zeitliche Gebilde der Umwelt einer Kultur, d.h., z.B. ihr Kalenderwesen, ihr Sozialsystem, und gemeint ist auch ausdrücklich die Unterwelt [ 18 ].

Jede weitere Besprechung des Fiebagschen Vortrags wäre reine Zeitverschwendung und würde in eine Buchbesprechung münden. Argumente für ein Raumschiff würde auch das nicht ergeben. Das stellt den Kritiker vor ein völlig neuartiges Problem: Was soll er eigentlich kritisieren? Die bloße Behauptung, Pacal würde per Raumschiff ins Weltall starten, hat den wissenschaftlichen Wert eines SF-Romans. Außer "Sieht-aus-wie" hat die These nichts zu bieten, und dank des Zirkelschlusses ist nichtmal diese berühmte PS-Technik anzuwenden. Die Besprechung der Symbole ist ein riesengroßes Durcheinander. Sinnvoll wird es sein, wenn man statt der Peinlichkeiten einfach die Darstellung auf der Platte möglichst genau bespricht. Ein Urteil über die Darstellung wird man schlechterdings nur fällen können, wenn man sich mit ihrem Inhalt auseinandersetzt! Das soll auf den nächsten Seiten geschehen.

Literatur

[ 1 ] Däniken, E.v.: Erinnerungen an die Zukunft; 1968, zitiert nach der Ullstein-Ausgabe, 1989 , S. 100.
[ 2 ] Coe, Michael D.: Breaking the Maya Code. Revised Edition. New York, [1992], 1999, bes. S. 193-217.
[ 3 ] Däniken, E.v.: Der Tag an dem die Götter kamen - 11. August 3114 v.Chr., München, 1984.
[ 4 ] ibd., S. 294.
[ 5 ] ibd., S. 297.
[ 6 ] Fiebag, Peter: Der Götterplan - Außerirdische Zeugnisse bei Maya und Hopi, München, 1995, S. 37.
[ 7 ] von Däniken, op.cit., S. 298.
[ 8 ] Fiebag, op.cit., S. 37.
[ 9 ] ibd., S. 39.
[ 10 ] ibd., S. 41-43.
[ 11 ] ibd., S. 47.
[ 12 ] Schele, Linda & David Freidel: Die unbekannte Welt der Maya. Augsburg, [1990], 1994. S. 53.
[ 13 ] Freidel, David & Linda Schele & Joy Parker: Maya Cosmos - Three Thousand Years on the Shaman's Path. New York, 1993. Die ganze Diskussion ist ohnehin völlig sinnlos, weil die Quiché Maya die Milchstraße ausdrücklich xibalba be genannt haben, und das heißt "Straße der Unterwelt", vgl. Milbrath, Stargods, S. 41. Die Milchstraße befindet sich mit einigermaßen großer Offensichtlichkeit am Himmel!
[ 14 ] Fiebag, op.cit., S. 44.
[ 15 ] ibd., S. 48.
[ 16 ] ibd., S. 46.
[ 17 ] Freidel, Schele, Parker, op.cit., S. 87.
[ 18 ] vgl. Schele & Freidel, S. 51-90.

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