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Kernbohrungen im Alten Ägypten VI

Fazit

In der Funktion nicht mehr bestimmbare Bohrung in Rosengranit auf dem Basaltpflaster des Pyramidentempels des Königs Neussere in Abusir.
Der Befund an den Löchern und Kernen weist auf Werkzeuge und Hilfsmittel, die den Ägyptern in beliebiger Menge zur Verfügung standen. Die praktischen Versuche durch Stocks haben gezeigt, daß Kernbohrungen mit diesen Hilfsmitteln möglich sind, und auf welche Weise dies möglich ist. Experimente, die zu keinem Loch führten, sind mir nicht bekannt. Die Proponenten der Edelsteinlösung konnten auch bis heute kein Experiment mit negativem Erfolg vorweisen. Daß Kupfer/Bronze mit Quarzsand ein wesentliches Merkmal des Befundes ist, kann man nicht anders erklären und hat man nicht anders erklärt, da der Befund der Bohrungen nicht in einem einzigen Aufsatz oder Buch, das alternative Lösungen favorisiert, überhaupt nur erwähnt wurde. Die trotzdem vorgebrachten Argumente, z.B. man könne Quarz nicht mit Quarz bearbeiten, sind sachlich doppelt falsch, weil es tatsächlich geht und weil man gar keinen Quarz sondern geringfügig quarzhaltiges Gestein zu erbohren hat. Um zum theoretischen Nichterfolg zu gelangen, wurden hier einige Bedingungen auf den Kopf gestellt oder ganz ausgelassen. Ich kenne kein einziges Argument, das wirklich gegen die traditionelle Kupfer/Bronze-Technik angeführt werden könnte!

Angenommen eine Pyramidenanlage des Alten Reiches hätte über 100 Bohrungen verfügt [ 1 ]. Das ist weit mehr als man nachweisen kann. Unter den gegebenen Voraussetzungen, daß Stocks 20 Stunden für ein 6 cm tiefes Loch benötigt hat, und daß - wie auch Stocks hervorgehoben hat - ein geübter ägyptischer Arbeiter doppelt so schnell bohren könnte, wären selbst unter widrigsten Bedingungen in wenigen Monaten alle Bohrarbeiten von einem Fachmann und - sagen wir - einem Hilfsarbeiter sicher erledigt gewesen. Da man entsprechend mehr als ein Bohrkommando wird annehmen können, wird es nur ein Bruchteil davon sein. Das propagierte Zeitproblem [ 2 ] existiert überhaupt nicht.

Bereits besprochen aber tatsächlich höchst bemerkenswert ist der Umstand, daß man das "Schneidematerial" bzw. den "Schmirgel" außerhalb Ägyptens suchen wollte, bzw., daß Diamanten oder Korund als "Schneidematerial" vorausgesetzt wurden. Hier ist es nicht nur die Geschichte dieser Materialien, die diese Lösung kategorisch ausschließt, sondern vor allem der Befund und die notwendige Menge! Es ist nicht möglich, daß sich eine solche Menge an "Schneidematerialien" nicht einmal mehr an einem einzigen Splitter nachweisen ließe und es ist ebenso unmöglich, daß eine solche Importmenge in keinem einzigen Fall Erwähnung gefunden hat. Nicht einmal der Umstand, daß man allein im Rosengranit-Steinbruch bei Assuan 220000 m3 Hartgestein abgebaut hat [ 3 ], und nichts weiter als Dolerithämmer und entsprechende Bearbeitungsspuren gefunden hat [ 4 ], ist den Edelsteinproponenten irgendwie sonderbar erschienen. Aber damit fängt das ganze Problem erst an: Hätte man - wie es gesagt wurde - nur mit Diamanten Hartgestein bearbeiten können, dann müßte das auch für Sägen und Polieren gelten - inkl. aller Hartgesteinstatuen und Hartgesteinvasen. So hätte man ein Diamantproblem geschaffen, das wesentlich größer ist als es das Kernbohrungsproblem jemals war! Und das gleiche gilt für importierten Schmirgel/Korund.

Zum Schluß möchte ich auf die Homepage Rock Properties von Archae Solenhofen verweisen, der sich intensiv mit Metallen und Steinen aus dem Alten Ägypten beschäftigt. Diese Seite handelt nicht direkt von Kernbohrungen, aber viele Details, die in unserem Zusammenhang bedeutsam sind, werden dort noch weit ausführlicher besprochen als das hier möglich war. Weiterhin findet man bei Ancient Egyptian Quarries von James A. Harrell and V. Max Brown vom Department of Earth, Ecological and Environmental Sciences der University of Toledo, eine Menge herausragender Farbabbildungen zu allen möglichen Gesteinen.

Anmerkungen

[ 1 ] Bei Sahure scheinen mir besonders viele nachweisbar. 44 Säulen insgesamt, die jeweils darunter in Bohrlöchern verankert wurden, vgl. Borchardt, Sahure, S. 10, Abb. 5; Clarke & Engelbach, Ancient Egyptian Masonry, S. 132 m. Fig. 139., dazu kämen eine Reihe von Türdurchgängen mit jeweils 2 bis 3 Bohrungen.
[ 2 ] Sasse&Haase, Im Schatten der Pyramiden, S. 217f.
[ 3 ] Röder, Steinbruchgeschichte, S.550.
[ 4 ]ibd., passim; Klemm&Klemm, Steine, S. 308ff. m. Abbildungen.


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