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Kernbohrungen im Alten Ägypten II

Der Befund

Die ersten Beschreibungen altägyptischer Kernbohrungen gehen auf Petrie zurück. Unter diesen sticht besonders eine Bohrung aus dem Taltempel des Chephren hervor, die in einem granitenen Türsturz ausgeführt wurde [ 1 ]. Der Kern, der sich zum Teil noch in der Bohrung befindet, ist sichtbar konisch. Petries bekanntestes und immer wieder besprochenes Exemplar ist eine Bohrung - seiner Ansicht nach die "perfektestes" - in Rosengranit aus Giza [ 2 ]. Am Kern hat Petrie Rillen beobachtet, die über mehrere Umläufe reichen und ein richtiges "Schraubgewinde" mit rapidem Vortrieb bilden. Die Rillen - so Petrie weiter - verlaufen über Quarz und Feldspat ohne jede Unterbrechung. Lucas und Harris haben diese Stelle allerdings kritisiert, denn nach ihrer Anschauung handelt es sich dabei nicht um Quarz in Rosengranit sondern um das weichere Diorit [ 3 ].

Kern, aus: Petrie, Tools and Weapons, Pl. LII-59.
Einige Kerne aus: Petrie, Tools and Weapons, Pl. LII.
Einzigartige Bohrung in Basalt, aus: Petrie, Tools and Weapons, Pl. LII-61.

Die Abbildungen sind von schlechter Qualität. Über den Verlauf der Rillen kann man sich allein durch Petries Beschreibung informieren. Eine intensive Analyse der Abbildung bestätigt Petries Beschreibung nicht unbedingt. Sicher ist jedoch, daß der Kern, wie in allen Fällen in Petries Darstellung, die dieses Urteil noch zulassen, stark konisch verläuft. Ein interessantes Exemplar ist ein Bohrung in Basalt, die zunächst kleiner, dann größer erbohrt wurde. Als Ergebnis bleibt eine Röhre aus Basalt [ 4 ]. Bemerkenswert ist Petries Beobachtung, daß in den Quarzanteilen seiner Bohrungen Schnitte verlaufen [ 5 ]. Daneben fällt noch eine immens große Bohrung (es könnte allerdings auch ein Sägeschnitt sein) in rotem Quarzit-Standstein auf, die 28 inch Durchmesser aufweist und perfekte parallele Rillen zeigt [ 6 ]. Für Bohrungen in Porphyr bescheinigt Petrie den Rillen "very fine grooves" [ 7 ].

Während Borchardts Grabungen im Pyramidentempel des Königs Neussere in Abusir (1902-1908) kam ein höchst interessanter Basaltblock zutage, der eine Bohrung, einen falsch geführten Sägeschnitt und einen Schliff aufweist [ 8 ]. Dazu heißt es:

    "In einem falsch geführten Sägeschnitt, der etwa 0,5 cm breit und mehrere cm tief war, sitzt heute noch grünspanfarbener Schmirgel. Es kann danach wohl kein Zweifel sein, daß das Sägen des Basalts mit dünnen Sägeblättern aus Kupfer unter Benutzung von Wasser und Schmirgel vor sich ging. Den Schmirgel wird man vermutlich aus Assuan bezogen haben, wo Prof. Schweinfurth solchen nachgewiesen und gezeigt hat, daß er im Altertume aubgebaut worden ist. Die Röhrenbohrer müssen auch aus Kupfer gewesen sein, denn auch das oben abgebildete Basaltstück zeigt Grünspanspuren in den Rillen der Bohrung."

Auch die weiteren Arbeiten in Abusir förderten Kernbohrungen hervor, und zwar zahlreich im Pyramidentempel des Königs Sahure und auch im Sonnenheiligtum des Königs Neussere [ 9 ]. Leider gibt Borchardt hierüber nichts weiter bekannt, als daß sie wenigstens zum Teil in Basalt und zum Teil in Granit ausgeführt sind [ 10 ]. Die Bohrungen dienten jedenfalls als Halterung im rechten Türpfosten eines Durchgangs. Eine fotographische Abbildung zeigt zwei Bohrungen [ 11 ]. Von der Bohrung in Basalt läßt sich sicher sagen, daß sie stark konisch verläuft. Weitere Bohrungen - wiederum in Granit und Basalt - im intimen Teil des Tempels werden nur fotographisch wiedergegeben [ 12 ].

Eine ganz herausragende Besprechung des Befundes liefert Hölscher für seine Grabungen im Pyramidenbezirk des Königs Chephren. Daraus ergibt sich, daß alle Bohrkerne einen konischen Verlauf aufweisen [ 13 ]. Hölscher hat beobachtet, daß sich die Ausprägung der Rillen mit der Härte des Gesteins ändert. Je härter, desto schärfer die Rillen, wobei die deutlichste Ausprägung im Amphibolit zu finden ist [ 14 ]. Dazu weiter: "An unseren Beispielen kann man deutlich sehen, daß die Rillen oft in ganz verschiedenen Abständen auftreten, daß sie sich häufig teilen oder zusammenlaufen." Hölscher berichtet aber von einem weiteren bedeutenden Befund in den Bohrungen [ 15 ]: "Schmirgel und Kuperteilchen wurden in Bohrlöchern nachgewiesen."

Bohrung in Amphibolit mit unterschiedlichen Rillenabständen aus Hölscher, Grabdenkmal des Königs Chephren, Blatt XIV-4.
Firth und Quibell führen in ihrem Band zu den Ausgrabungen im Grabbezirk des Königs Djoser einen abgebrochenen Kern aus Diorit an [ 16 ]. Die Oberfläche wird als "quite smooth" beschrieben. Die Tafelabbildung zeigt die üblichen Rillen [ 17 ] und den konischen Verlauf.

Die bereits oben erwähnten Bohrungen in Sakkara beinhalten ein hellgrünes Pulver, das nach einer näheren Untersuchung von Lucas & Harris [ 18 ] aus Quarzsand besteht, der seine grünliche Farbe durch das Kupfer des Bohrers erhielt.

Im Lagerraum von Sakkara hat Alfred Lucas einen Kern aus Rosengranit untersucht [ 19 ]. Sein Durchmesser beträgt 8 cm. Er weist "green patches on the outside from the copper of the drill" auf.

Der Alabastersarkophag des Königs Sechemchet in Sakkara ist ein monolither Block, dessen Innenraum entsprechend durch Kernbohrungen ausgehöhlt wurde, die Lauer so beschreibt: "A l'intérieur du sarcophage, en effet, quelques petites concavités cylindriques portant des striures circulaires très serrées ainsi que de menus dépôts de vert de gris indiquent clairement l'emploi de mèches tubulaires en cuivre.", dt.: "Das Innere des Sarkophags weist kleine zylindrische Höhlungen mit sehr eng umlaufenden Rillen sowie Ablagerungen von Grünspan auf, welche die Verwendung von Kupferbohrern klar beweisen." [ 20 ]

Im Taltempel des Königs Unas in Sakkara finden sich im Nordportikus Bohrungen in den granitenen Säulenbasen [ 21 ]. Leider fehlt auch hier jede Besprechung der Bohrung, jedoch sind sie deutlich konisch im Verlauf. Im Pyramidentempel des gleichen Königs hat man die granitenen Abaki mit je zwei Löchern versehen [ 22 ]. Ihr Zweck besteht höchstwahrscheinlich in der Fixierung der Architrave mittels zweier Dübel unbekannter Beschaffenheit [ 23 ].

Zwei ganz bemerkenswerte Bohrungen in Granit, die wiederum zu einem Türpfosten gehören, finden sich im Pyramidentempel des Königs Userkaf in Sakkara. Bedauerlicherweise gibt es zwar Abbildungen und Zeichungen im Tafelteil der jüngst erschienen Abschlußpublikation [ 24 ], aber nur eine kurze Erwähnung im Textteil [ 25 ]. Allerdings ergab sich 1999 die Gelegenheit die zwei erstgenannten Bohrungen in Augenschein zu nehmen. Aus dieser Beobachtung läßt sich sicher folgern, daß die Rillen einen unregelmäßigen Verlauf nehmen und eine begrenzte Länge aufweisen. Das Loch ist sichtbar konisch.

Türrahmen aus Rosengranit im Pyramidentempel des Königs Userkaf in Sakkara.
Detail: die Rillen verlaufen nicht gleichmäßig und in unterschiedlicher Tiefe. Mit freundlicher Genehmigung von Frank Dörnenburg.

Ricke berichtet von den Grabungen im Sonnenheiligtum des Userkaf von Kernbohrungen in Granitblöcken [ 26 ]. Die Löcher messen zwischen 9 und 10 cm bei einer Tiefe von 35 cm. Hier haben wir auch das Glück, daß neben den ausdrücklich konischen Löchern auch die konischen Bohrkerne dazu gefunden wurden. Ihr Verwendungszweck ist wiederum die Konstruktion einer Tür.

Kleine Bronzereste fand man in einem Bohrloch eines Türpfostens aus der Zeit Ramses II., der sich heute im Metropolitan Museum befindet [ 27 ]. Leider ohne weitere Angaben angeführt ist der Fund eines abgebrochenen Bronzebohrers im Tempel Ramses III. in Medinet Habu, der noch in einem Bohrloch gesteckt haben soll [ 28 ]. Das wäre der einzige bekannte Fund eines Bohrers gewesen! Da es keinen Zweifel an Hölschers Angaben geben kann, muß die immer wieder vorgebrachte Aussage, es wurde niemals ein Bohrer gefunden, eigentlich revidiert werden.

Reisner berichtet folgendes über die Bohrungen in den Granitteilen des Mykerinostempels: "The dressing of the granite at the Mycerinus pyramid and temples, wherever it was found and in whatever state of completion, showed traces of only three processes - hammering, rubbing, and boring with a cylindrical borer. The cylindrical or tubular borer was used, as far as our evidence goues, only for sockets to take the end of the doorposts and the ends of bolts; and consequelty was not of general utility in construction. [ 29 ]" Zu Gefäßen heißt es: "In addition to the stone borer, a cylindrical tube borer was also used, especially for limestone and alabaster. In two cases where no attempt had been made to smooth away the stump of the core, the groove contained a fine gritty powder, not unlike pumice, tinged with green copper oxid. From this, it is to be concluded that the tube was of copper or of some alloy composed largely of copper. [ 30 ]" Über die Bearbeitung an Statuen heißt es: "Boring by means of a hollow tube of copper, turned either by rolling between the hands or with a crank, used with grinding paste (emery?). Traces found only in alabaster statues, Nos. 18 and 21, but elsewhere in granite blocks; and suitable for use on hard stone statues. Used also in boring stone vessels, especially cylindrical jars; possibly represented in Grab des Ti, Pl. 134. [ 31 ]"

Schließlich beschreibt Gustave Jéquier eine weitere Türkonstruktion im Pyramidentempel der Königin Oudjebten aus der 6. Dynastie in Sakkara-Süd [ 32 ]. Sie entsprechen nach Jéquiers Angaben Tür-Konstruktionen, die es auch im benachbarten Pyramidentempel von Pepi II. gibt, was aber in den entsprechenden Publikation nicht beschrieben wurde. Wesentlich besser publiziert ist dagegen der Türpfosten im Pyramidentempel der Königin Apouit, für dessen Bohrungen Jéquier detaillierte Zeichungen vorlegt [ 33 ]. Alle drei Löcher, wie im vorhergehenden Fall in Rosengranit, sind deutlich konisch im Verlauf. Eine genauere Beschreibung fehlt leider.

Erwähnt werden sollen noch die in ihrer Funktion völlig ungeklärten Granitblöcke mit Bohrungen im Innern der Cheopspyramide. Ein Block befindet sich in der sog. "Grotte" und weist zwei Bohrungen auf [ 34 ]. Von drei Blöcke, die ursprünglich im Absteigenden Gang gefunden wurden, weißt einer eine Bohrung auf (4 inch Durchmesser), ein anderer zwei. Ein dritter Block mit drei - nicht zwei, wie die Gebrüder Edgar fälschlicherweise angeben - Bohrungen befindet sich heute am ursprünglichen Eingang der Cheopspyramide. Er hat den Vorteil, daß er an einer Bohrung am Schaft entlang abgebrochen ist. Zwar läßt sich über die Rillen durch fortgeschrittene Verwitterung keine Auskunft mehr geben, aber das Loch präsentiert sich erstaunlich gleichmäßig konisch.

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Erwähnungen von Kernbohrungen, die aber nicht näher beschrieben sind oder nichts weiter über den Verwendungszweck oder die Technik aussagen. Deshalb soll diese Zusammenstellung für die folgende Besprechung genügen.

Aus diesem Befund lassen sich folgende Beobachtungen zweifelsfrei sichern:
  1. Grünspan, ägypt.: wadj [ 35 ], oder Kupferteilchen (später Bronze) ist ein übliches Merkmal in Bohrlöchern
  2. "Schmirgel", meist Quarzsand, ist ein übliches Merkmal in Bohrlöchern
  3. Bohrkerne und Bohrlöcher sind konisch
  4. Die Rillen sind unterschiedlich breit
  5. Die Rillen haben unterschiedliche Abstände zueinander
  6. Die Verwendung von Kernbohrungen in der Architektur weisen vorwiegend auf die Fixierung größerer oder beweglicher Bauteile hin.

Anmerkungen

[ 1 ] Petrie, Tools & Weapons, S. 44, Pl. LII-66.
[ 2 ] ibd., S. 44f, Pl. LII-59., ders., Pyramids and Temples, S. 75-77, Pl. XIII.
[ 3 ] Lucas&Harris, Ancient Egyptian Materials, S. 71.
[ 4 ] Petrie, Tools & Weapons, S. 45, Pl. LII-61.
[ 5 ] ibd., S. 45, auch schon in ders., Pyramids and Temples, S. 75, wo die Schnitte in den Quarzanteilen sogar tiefer sind als im Feldspat!
[ 6 ] Petrie, Tools & Weapons, S. 45, Pl. LII-59.
[ 7 ] ibd., S. 45, Pl. LII-45.
[ 8 ] Borchardt, Neussere, S. 142, Abb. 122.
[ 9 ] Borchardt, Re-Heiligtum, S. 44; ders., Sahure, Bd. I, S. 36-38.
[ 10 ] ibd., S. 37.
[ 11 ] ibd., S. 37, Abb. 33.
[ 12 ] ibd., S. 58-59, Abb. 69-73; S. 65, Abb. 82.
[ 13 ] Hölscher, Chephren, S. 78.
[ 14 ] ibd., Blatt XIV-9.
[ 15 ] ibd., S. 78, Anm. 1.
[ 16 ] Firth & Quibell, Step Pyramid I, S. 129, II, Pl. 94-5.
[ 17 ] später von Lauer, Histoire Monumentale I, S. 195, Anm. 3 auch so beschrieben.
[ 18 ] Lucas&Harris, op.cit., S. 74.
[ 19 ] ibd., S. 69.
[ 20 ] Lauer, op.cit., S. 195.
[ 21 ] Labrousse & Moussa, Temple d'accueil, Pl. VIa-b.
[ 22 ] Labrousse et al, Le temple haut, S. 27-29, Pl. XII-D.
[ 23 ] ibd., S. 24.
[ 24 ] Labrousse & Lauer, Les complexes funéraires d'Ouserkaf, Bd. II, S. 29, Fig. 58a-b, Pl. 20 und 21 für zwei weitere Löcher.
[ 25 ] ibd., Bd. I, S. 52.
[ 26 ] Ricke, Sonnenheiligtum des Königs Userkaf, S. 14 & Abb. 9.
[ 27 ] Arnold, Building, S. 286, Anm. 65.
[ 28 ] Hölscher, nach Arnold, ibd.
[ 29 ] Reisner, Mycerinos, S. 86.
[ 30 ] ibd., S. 180.
[ 31 ] ibd., S. 118.
[ 32 ] Jéquier, Oudjebten, S. 9-10, Fig. 4.
[ 33 ] Jéquier, Neit et Apouit, S. 43, Fig. 23.
[ 34 ] Beschreibung der Blöcke bei Edgar, Great Pyramid Passages, S. 280-283.
[ 35 ] Hannig, Sprache der Pharaonen, S. 534.

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