Altägyptische Architektur

Eine Einführung

Von allen Erscheinungen Altägyptens hinterläßt die Architektur den nachhaltigsten Eindruck. Von den großen Pyramiden über die gewaltigen Tempel bis zu den erstaunlichen Gräbern im Tal der Könige spannt sich ein Bogen der Neugier und des Erstaunens, wie er in der neueren menschlichen Geschichte vielleicht nur noch von der Mondlandung übertroffen wurde. Im Gegensatz dazu aber hält die Faszination über die pure Gewalt des Steins an und nimmt viel eher noch zu!

Seit der Antike berichten die Reisenden in ausschweifenden Berichten über ihr Erstaunen beim Anblick dieser grandiosen Architektur, der man das Prädikat "monumental" zukommen ließ. Und tatsächlich, man könnte alle sieben antiken Weltwunder allein in Ägypten unterbringen. Und gebe es die Große Pyramide von Giza nicht, fänden sich unzählige weitere Meisterleitungen der Architektur im ganzen Land, die ohne weiteres an ihre Stelle treten könnten. Selbst durch Steinraub stark dezimierte Tempel und Pyramiden, die in Ägypten kaum ein Tourist wahrnimmt, wären in jedem anderen Land der Welt archäologische Stätten ersten Ranges.

Es besteht kein Zweifel: diese Architektur erscheint uns heute geradezu "übermenschlich" und "übernatürlich". Bei Abusir, dort wo die 5. Dynastie ihre Sonnenheiligtümer errichtet hat, ließ König Niusere für seinen "Tempel des Re" eine gewaltige Plattform errichten, über die Borchardt nach seinen Grabungen beeindruckt mitteilte [ 1 ]:

    "Einen Hügel, der zur Aufnahme eines Bauwerkes nicht gross genug erscheint, durch Kunstbauten gut um seine eigene Fläche zu vergrössern - dass die Alten sich an eine solche Aufgabe herangewagt und sie gut durchgeführt haben, das zeigt uns, dass sie schon längst dem Stadium entwachsen waren, in dem sich der Mensch noch der Natur anpassen musste, dass sie es vielmehr schon recht gut verstanden, die Natur nach ihren Bedürfnissen zu zwingen."

In der Tat waren die alten Ägypter diesem Stadium spätestens mit dem Beginn der 3. Dynastie entwachsen. Mit König Djoser und seinem Grabkomplex in Sakkara tritt die monumentale Ausgestaltung der Architektur in Dimensionen ein, die bis heute zu "Problemlösungen" jenseits der ägyptischen Kultur verleiten. Allein ihre unerschütterliche Standfestigkeit über die Jahrtausende bis heute ist Zeugnis für ihren "unzerstörbaren" Charakter - und das, obschon nicht alle Jahrtausende besonders zimperlich mit ihrem erstaunlichen Erbe umgegangen sind.

Der größte Teil dessen, was man heute über das Alte Ägypten weiß, kommt über die Architektur auf uns. Grabinschriften, Pyramidentexte, Statuen, Grabbeigaben und Tempelreliefs durch fast alle Epochen der ägyptischen Geschichte, sind die wesentlichen Quellen zur Erforschung Altägyptens. Selbst die berühmtesten Papyri stehen entweder mit der Architektur in direktem Zusammenhang oder wurden in Tempeln und Gräbern gefunden. Sich all dessen bewußt, läßt sich vielleicht eine Bild davon zeichnen, in welchem Maße die Erforschung der Architekur zur Erforschung der Kultur an sich beiträgt.

Nun steht natürlich über allem die große Frage, zu was diese Architektur denn eigentlich dient, wie sie bewerkstelligt wurde und wie sich ihre Form herleiten läßt. Dazu hat die Ägyptologie unterschiedliche Herangehensweisen und Methoden entwickelt, die sich einerseits gut bewährt haben, andererseits jedoch auf manchem Gebiet noch kontrovers diskutiert werden. Fragen der Planung, der technischen Hilfsmittel und der praktischen Umsetzung sind heute sehr oft zufriedenstellend beantwortet. Dazu tragen nicht unerheblich die archäologischen Funde von Werkzeugen, Berechnungen, Plänen und Werkzeugspuren bei, sowie Abbildungen auf den Reliefs, die vielerei Arten von Tätigkeiten zeigen. Zusammen mit der physikalische Meßbarkeit und dem praktischen Versuch ist dieses Gebiet in weiten Teilen abgehandelt [ 2 ]. Im Katalog wird auf die entsprechenden Stellen eingegangen.

Nicht meßbar hingegen, und auch sonst nur unter Schwierigkeiten zu erlangen, sind gesicherte Kenntnisse über die "Funktion" und die "Form" - sowohl einzelner Bauelemente als auch ganzer, übergreifender Anlagen. Mit "Form" und "Funktion" sind damit schon zwei wesentliche Stichpunkte genannt, die in der Ägyptologie schon seit langer Zeit heftig diskutiert werden. Immerhin werden sie noch diskutiert. Im Falle des dritten entscheidenden Stichworts, dem "Stil" - oder gar der "Ästhetik" -, ist die Diskussion seit Herbert Rickes Betrachtung der Architektur des Alten Reiches praktisch zum Stillstand gekommen [ 3 ]. Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, daß man der Erforschung der altägyptischen Architektur - und eben speziell der "Funktion" und der "Form" - damit den größten Gefallen täte, würde man den "Stil" zunächst einmal ganz beiseite lassen oder zumindest der "Form" hinten anstellen. Ein Begriff, der für das Alte Ägypten nicht einmal ausreichend definiert werden kann, und der gut dazu geeigent ist, alle möglichen Erklärungen der Einfachheit halber auf den "Stil" zu schieben, kann für ein Ergebnis keine tragende Rolle spielen. Er kann es nur verfälschen. Die Begriffe werden hier deshalb wie folgt verwandt:

  1. Funktion:

    Architektur hat immer eine Funktion - selbst wenn sie keine ersichtliche aufweist [ 4 ]! Man unterscheidet zwei verschiedene Ebenen der architektonischen Funktion:

    1. Die praktische Funktion charakterisiert einen Zweckbau [ 5 ]. Ein Grab hat zunächst einmal deswegen eine Grabkammer, weil der Verstorbene darin bestattet sein soll. Eine Barkenstation hat - über jede symbolische Aussage hinaus - ersteinmal den Zweck der Barke als Unterstand zu dienen. Ein Magazin hat - wahrscheinlich aber nicht sicher! - überhaupt nur eine praktische Funktion, nämlich als Magazin zu dienen. Die Auswirkung dieser Funktion auf die Form ist mindestens gering! Als reiner Zweckbau stellt sich praktisch kein sakrales Bauwerk vor - von Wohnhäusern und Festungen als Beispiele des Profanbaus einmal abgesehen.

    2. Die symbolische Funktion ist der eigentliche Auslöser für die architektonische Gestalt. So wird z.B. das Grab zum "Wohnhaus" des Toten erdacht [ 6 ]. Der ägyptische Tempel wird nicht nur zum Abbild der Welt, sondern seine Errichtung ist ganz einfach mit der Erschaffung der Welt gleichzusetzen [ 7 ]. Dieser - wie Wildung es m.E. treffend nennt [ 8 ] - "kosmologische Funktionalismus" bestimmt die altägyptische Sakralarchitektur entscheidend und diktiert deren Gestalt. Sichtbarste Merkmale dieser kosmologischen Ausgestaltung sind z.B. mit Sternen versehene Decken, die Sonnenscheibe zwischen den Türmen des Pylons oder die aus dem Boden des Tempels "wachsenden" Pflanzensäulen. Die Funktion der Säule war es dabei nicht, das Dach des Tempels zu tragen. Ihre Funktion ist das "Tragen des Himmels", wobei die Decke symbolisch als Himmel ausgestaltet ist [ 9 ].

    Man gäbe sich einem fatalen Irrtum hin, würde man anhand dieser schönen Gliederung von einem gelösten Funktionsproblem in der altägyptischen Architektur sprechen wollen. Besonders an den Stellen, in denen man die "Sprache der Architektur" nicht verstehen kann, bleibt natürlich auch der Zweck unbekannt. Und nicht selten ist es sogar unmöglich, den Zweck überhaupt nur der praktischen oder der symbolischen Funktion zuzuweisen [ 10 ].

  2. Form:

    Wildungs Aussage über die Form der altägyptischen Architektur ist [ 11 ]: "Die Form gehorcht der Funktion, besitzt keine Eigenständigkeit". Wildung versteht unter dem Begriff der "Form" unzweideutig die Gestalt des Bauwerks, wie es die Funktion vorschreibt. Hier aber wird der Begriff der Form so verstanden, daß die Form das "Hilfsmittel" ist, mit dem die gewünschte Funktion erreicht bzw. sichergestellt werden. Ich verstehe darunter das, was Wildung unter den "Detailformen der Monumentalarchitektur" versteht, nämlich die in Stein umgesetzten Charakteristiken der Bauten aus vergänglichem Material, mit dem die Architektur in vorgeschichtlichen Zeiten begonnen hat, und die noch im letzten Tempel Ägyptens ihren Ausdruck durch Rundstab und Hohlkehle erfahren haben. Damit ist zwangsläufig jedes symbolische Element der Sakralarchitektur durch zwei unterschiedliche Quellen der Formgebung unterworfen:

    1. Am Beispiel eines Pylons kann man ersehen, daß er in seiner Gestalt die Horizontberge nachbildet [ 12 ]. Das ist ein wesentlicher Aspekt der Formgebung, die zu zwei Pylontürmen führt und damit der Ausdruck der "kosmologischen Funktion".

    2. Im selben Moment man das festellt, wird ebenso ersichtlich, daß Rundstab und Hohlkehle an der Formgebung des Pylons ebenfalls beteiligt sind. Diese Beteiligung ergibt sich weder aus der symbolischen noch aus der praktischen Funktion. Rundstab und Hohlkehle weisen aus ihrer ursprünglichen Funktion heraus auf "bewohnbare" Bauwerke, während der Pylon das Symbol der Berge am Horizont ist. Dieser Aspekt der Formgebung ergibt sich also schlechterdings aus der Tradition der ägyptischen Baukunst selbst. Er ist jenseits der Funktion beheimatet.

    Ein anderes Beispiel zur Erläuterung des Begriffes wäre die Pyramide. "Echte" Pyramide und Stufenpyramide sind unterschiedliche Formen. Beide haben den selben praktischen Zweck, nämlich als Grabbau zu dienen. Strukturell (s.u.) nehmen beide Bauwerke denselben Platz ein, obschon sie von ihrer "kosmologischen Funktionalität" her ganz unterschiedlich "funktionieren".

  3. Struktur:

    In der Bauforschung dominiert seit längerer Zeit der Begriff "Struktur" das Geschehen. Unter Struktur wird hier die Lage, Anordnung, Form und Ausrichtung einzelner Räume und Bauteile (besonders auch untereinander) innerhalb eines größeren Komplexes (i.d.R. einer Tempelanlage) verstanden [ 13 ]. Die Struktur einer Anlage wird durch die schon genannten Elemente bestimmt: Symbolik, praktischer Zweck (öfter aber nicht ausschließlich im Profanbau), Form, Tradition. Die "Strukturanalyse" ist dabei ein ebenso umstrittenes wie zweckmäßiges Hilfsmittel in der ägyptischen Bauforschung. Kritik mußte sich in der Vergangenheit weniger die Methode an sich gefallen lassen, als vielmehr manches Ergebnis [ 14 ]. Die Gefahr der Strukturanalyse liegt in der nicht existierenden Festlegung von Kriterien zur Segmentierung und Klassifizierung einzelner Elemente [ 15 ]. Ihre große Chance liegt in den sich eröffnenden Möglichkeiten Entwicklungen und Inhalte zu gewinnen, für die keine andere Methode existiert [ 16 ].

Ein wesentliches Ziel der ägyptischen Bauforschung ist es, die Genetik der unterschiedlichen Bautypen zu erarbeiten. Für die Epochen ab dem Neuen Reich, in der die ägyptischen Tempel einem gewissen Grundmuster aus Pylon, Hof, Hypostyl und Sanktuar folgen, stellt das schon ein Problem dar. Für die Epoche aber, die hier primär behandelt werden soll, existieren recht unterschiedliche Ansätze [ 17 ]. Selbst eines der bedeutendsten Denkmäler des ganzen Altertums, der Komplex des Königs Djoser, wird trotz guten Zustands und klar ersichtlicher Gliederung bis heute völlig unterschiedlich hergeleitet [ 18 ]. Für die Pyramide an sich, eigentlich das Symbol Ägyptens, sind Herleitungen bisher überhaupt nur fragmentarisch erfolgt [ 19 ].

Innerhalb der gesamten Bauforschung nehmen die Pyramiden erst in den letzten Jahren eine Stellung ein, die vergleichbar mit der Erforschung der ägyptischen Tempel wäre. Viele Methoden, darunter auch die Strukturanalyse, wurden bisher nur spartanisch oder gar nicht eingesetzt. Das wissenschaftliche Interesse an den privaten Grabbauten des Alten und Mittleren Reiches ist wesentlich ausgeprägter. Während schon 1887 Gaston Maspero und M. de Rochemonteix unabhängig voneinander die entscheidenden Aspekte des ägyptischen Tempels als "l'image du monde", als "Abbild der Welt" und als "résidence terrestre" des Gottes erkannten [ 20 ], wurde der dominierende "kosmologische Funktionalismus" an den ägyptischen Pyramiden erstmals von Joachim Spiegel 1971 entdeckt [ 21 ], blieb dann lange unbeachtet und wurde schließlich sogar wieder zurückgewiesen [ 22 ]. Erst Osing [ 23 ] diskutiert das Thema 1986 erneut, aber es verfiel wieder in Vergessenheit. 1994 schließlich nahm sich Allen [ 24 ] dieses Phänomens wieder an. Lehner [ 25 ] hat erstmals davon - wenn auch in sehr kurzer Form - einer breiteren Öffentlichkeit berichtet. O'Connor [ 26 ] schließlich hat überhaupt erstmals in der ganzen Erforschung der ägyptischen Pyramiden den Pyramidentempel in den "kosmologische Funktionalismus" eingebunden und auch sonst einen wichtigen Meilenstein zum Verständnis der Pyramidenbezirke des Alten Reiches hervorgebracht.

Pyramide und Pyramidenbezirk befinden sich aber auch aus anderen Gründen in einer Umruchphase [ 27 ]. Neueste und bisher noch unveröffentlichte Grabungen in Giza haben gezeigt, daß die Pyramiden des Alten Reiches nicht auf die königliche Sakralarchitektur beschränkt ist. Selbst Arbeiter, darunter der "Inspector of Pyramid Building", haben sich die Pyramide als Form ihres Grabbaus erwählt. Die Folgen dieser aktuellen Entdeckungen auf die Deutung der Pyramide sind im Moment noch nicht abzusehen.

Über diese Funktionen, Formen und Strukturanalysen hinaus bleibt natürlich die Frage, welche Bedeutung diese gewaltigen Anlagen für die Ägypter selbst hatten. Die Mär des Sklaventreibers existiert allein in Hollywoodfilmen, und damit ist die dem modernen Menschen nächste Erklärung, nämlich diese von Plinius, kaum mehr anwendbar. Auch die Zeit "positivistischer" Lösungen ist längst vorbei, in der die Bauforschung primär damit beschäftigt war, den Bauten möglichst viele Bauphasen anzudichten [ 28 ]. Ausgehend von dem Problem, das man nicht mehr als eine Grabkammer benötigt, sah man es als dringlichste Aufgabe an, alle anderen Kammern, Räume und Gänge, die über diesen praktischen Zweck einer einzelnen Grabkammer hinausgehen, einfach wegzuargumentieren. Sinnbild der damaligen Haltung ist vielleicht eine Beschreibung der Pyramiden des bedeutenden deutschen Ägyptologen Adolf Erman [ 29 ]:

    "Mit der ägyptischen Kunst, als deren Wahrzeichen die Pyramiden früher zu gelten pflegten, haben diese Bauten freilich nichts zu tun, denn diese ungeliederten Steinmassen sind ja im Grunde weiter nichts, als der bis ins Maßlose vergrößerte Hügel, den man sonst über der Leiche aufhäufte, um sie vor der Zerstörung zu schützen. Was zu dieser Übertreibung geführt hat, ist offenbar jener Glaube, ... daß der Mensch zu einem neuen Leben erwachen werde, wenn anders ihm sein Körper noch unversehrt zu Gebote steht. So enthält denn auch die Pyramide in ihrem Innern keinen anderen Raum als die kleine Kammer, in der der Sarg steht und der enge Gang, der zu dieser Sargkammer führt, wird nach der Beisetzung für immer versperrt."

Es gibt - nach dem heutigen Kenntnisstand der Forschung - nicht eine einzige Pyramide, auf die diese Beschreibung Ermans zutreffen würde. Im Gegenteil, die Pyramide offenbart sich als komplexes kosmologisches System, um dessen Verständnis man z.Zt. ringt. Und so wie sich diese Ansichten vergangener Tage gewandelt haben, geht die moderne Forschung ganz andere Wege, die auch hier eingeschlagen werden sollen. Zunächst muß die Pyramide aus der Isolation geführt werden. Sie ist - eben ganz anders, als Erman das annahm - durchaus ein Stück der ägyptischen Kunst, und muß somit zurück in ihren vollen Kontext gestellt werden. Dafür soll die sakrale Architektur bis in die älteste Zeit zurückverfolgt werden, während gleichzeitig die spezifischen Eigenarten und Aspekte altägyptischer Architektur, darunter vor allem die spätere Architektur, besprochen werden müssen. Für diese spätere Architektur der Tempel hat sich der Begriff "grammaire du temple" eingebürgert, der so charakterisiert werden kann [ 30 ]:

    "Unter dieser 'grammaire du temple' verstehen wir die bewußte und sinnbezogene Gestaltung ägyptischer Tempel von der Architektur über das Dekorationsprogramm der Reliefs und Inschriften bis hin zur bewußten Wahl einzelner hieroglyphischer Schreibungen."

Es ist m.E. schon erwiesen, daß sich genau diese Beschreibung auch für die Pyramiden und Pyramidentempel des Alten Reiches anwenden läßt. Was hier noch im Detail herausgearbeitet werden soll, ist nicht mehr und nicht weniger als eine "grammaire de la pyramide", eine Art Grammatik also, die in der Lage sein wird, das Wesen der ägyptischen Architektur von Anfang bis zum Ende des Mittleren Reiches zu definieren - die Pyramiden selbst natürlich ausdrücklich eingeschlossen. Man könnte - um moderne Termini zu gebrauchen - von einer Software sprechen, welche die schiere "Hardware" altägyptischer Architektur zum Funktionieren bringt. Das ist die wesentliche hier gestellt Aufgabe, die unter der Prämisse steht, daß die alten Ägypter mit ihrer ausgereiften Kultur und langen Entwicklungszeit, die Erfinder des Staates und komplexer religiöser Vorstellungen, durchaus wußten, was sie beim Aufschichten mehrerer Millionen Tonnen Stein taten [ 31 ]. Und das, was sie taten, war in jedem Fall faszinierend!

Anmerkungen

[ 1 ] Bissing & Borchardt: Re-Heiligtum I, S. 10. (Auflösung der Abkürzungen und Literatur.)
[ 2 ] Grundlegende Literatur dazu sind die Werke von Clarke & Engelbach, Ancient Egyptian Masonry; Lucas & Harris, Ancient Egyptian Materials and Industries; Arnold, Building in Egypt; ders., Lexikon der ägyptischen Baukunst.
[ 3 ] vgl. Rickes Stichworte "Struktur", "Stil", "Monumentalintensität" und "Symbolgehalt" bei Ricke, Bemerkungen AR I, S. 5-20. Rickes Stichwörter werden hier oft in einem anderem Sinn verwendet!
[ 4 ] Ich hoffe dem Einwand Schenkels auf Wildungs Darlegung entgegentreten zu können, vgl. Schenkel, Architektonische Struktur, S. 89-103, bes. S. 101. Auf Schenkels Einwand wird noch besonders eingegangen werden.
[ 5 ] vgl. Wildung, Architektur, Sp. 396.
[ 6 ] Wegweisend dazu noch immer Scharff, Grab als Wohnhaus.
[ 7 ] Wegweisend z.B. Reymond, Mythical Origin of the Egyptian Temple; Finnestad, Image of the World; Kurth, Friese innerhalb der Tempeldekoration, passim.
[ 8 ] Wildung, op.cit., Sp. 397.
[ 9 ] Borchardt, Pflanzensäule.
[ 10 ] vgl. Wenig, Struktur und Konzeption, S. 56-58.
[ 11 ] Wildung, op.cit., Sp. 396.
[ 12 ] vgl. Graefe, "Sonnenaufgang zwischen den Pylontürmen".
[ 13 ] vgl. dazu Schenkel, op.cit., passim.
[ 14 ] vgl. Zeidler, Strukturanalyse, S. 269ff. mit Anmerkungen!
[ 15 ] vgl. Schenkel, op.cit., S. 98ff.
[ 16 ] Die Strukturanalyse wird als Werkzeug mehr oder weniger intuitiv ohnehin schon immer angewendet, vgl. dazu Schenkel, op.cit., S. 103. Der größte Kritiker der Strukturanalyse ist Stadelmann, Pyramiden, S. 280, Anm. 100. Vernichtend greift er die Ergebnisse von Brinks, Entwicklung der königlichen Grabanlagen, an. Wie Zeidler, op.cit., S. 281, Anm. 10, schon richtig erkannt hat, ist das Problem nicht in der Methode zu suchen, sondern in unzureichenden Kriterien. Brinks hatte versucht Elemente der Grabkomplexe der 4. und 5. Dynastie in die Anlage des Djoser aus der 3. Dynastie zu tragen, die dort einfach nicht existieren. Zeidler hat weiterhin richtig erkannt, daß die Strukturanalyse an den späteren Anlagen (wahrscheinlich ist damit die 4. und 5. Dynastie gemeint) durchaus funktioniert hat. Und damit ist ein weiterer gefährlicher Punkt der Strukturanalyse angesprochen, nämlich die Frage der Vergleichbarkeit. Es wurde schon von Maragioglio & Rinaldi deutlich angesprochen, daß mit der Pyramide von Meidum eine völlig neuartige Konzeption der Anlagen einhergeht, vgl. MR III, Observations 33, pp. 50-52 u. Arnold, Royal Cult Complexes, pp. 45ff. Die Anlage des Königs Djoser bietet an keiner Stelle eine Möglichkeit für eine vergleichende Strukturanalyse mit Pyramidenanlagen der 4. Dynastie! Sie entstammt einer anderen genetischen Grundlage. Genau dasselbe Problem bekommt Stadelmann in seiner eigenen Strukturanalyse(!), wenn er das sicher zutreffende "Dreiraumsystem" der Pyramiden der 4. bis 6. Dynastie auch unter der Pyramide des Djoser sucht, vgl. Stadelmann, Dreikammersystem, S. 377ff. und Kaiser, Zu den Granitkammern, S. 195-207.
[ 17 ] vgl. Kemp, Ancient Egypt; O'Connor, Early Egyptian Temples; Baines, Temples as Symbols.
[ 18 ] vgl. Friedman, Notions on Cosmos; Stadelmann, Origins and Development.
[ 19 ] vgl. Baines, Society, Moralitiy, and Religious Practice, p. 132, n. 22.
[ 20 ] vgl. Traunecker, De l'hiérophanie au temple, p. 303.
[ 21 ] Spiegel, Auferstehungsritual.
[ 22 ] Barta, Bedeutung der Pyramidentexte.
[ 23 ] Osing, Disposition der Pyramidentexte.
[ 24 ] Allen, Reading a Pyramid.
[ 25 ] Lehner, Pyramiden, S. 33.
[ 26 ] O'Connor, Interpretation of the Old Kingdom Pyramid Complex.
[ 27 ] vgl. Verner, Pyramiden, S. 11.
[ 28 ] vgl. Stadelmann, Baugeschichte des Djoserbezirks, S. 296. Allerdings besteht unter sog. "Pyramidenforschern" auch bis heute ein unstillbarer Drang den "Sinn" der Pyramiden so detailliert in technische Einzelprobleme, Bauphasen und Planänderungen zu zerlegen, daß die Frage nach Stuktur, Funktion oder Formgebung erst gar nicht mehr gestellt werden "kann". Nicht selten könnte man dabei den Eindruck gewinnen, daß die alten Ägypter die Pyramiden allein zum Zeitvertreib späterer "Bauforscher" errichtet haben. Eine vorhandene Struktur als gegeben, als geplant hinzunehmen, verursacht selbst heute noch so viele Schwierigkeiten, daß man sich eigentlich nicht wundern muß, daß die Welt in Pyramiden grundsätzlich zuerst "Rätsel" sieht. Das ist etwa so, als wollte man die Architektur einer christlichen Kathedrale erläutern, nachdem man ihre Gestalt bis auf den Altar reduziert hat. Ähnlich dramatisch verhält es sich mit den Pyramiden vor der Einführung der Pyramidentexte. Spätestens seit Djoser hätte klar sein müssen, daß eine darstellende Architektur "gelesen" werden kann/muß! Stattdessen sind gerade die Pyramiden der 4. Dynastie in Sachen Reduktion der Innenräume beliebteste Objekte. Man kann hierbei ohne Übertreibung von einem Wettbewerb bei der Erfindung von Bauphasen sprechen, der seinen vorläufigen Höhepunkt in der Pyramide des Mykerinos durch Ricke, Bemerkungen AR II, S. 122f., findet.
[ 29 ] Erman, Religion, S. 246f.
[ 30 ] Winter, Beobachtungen zur "grammaire du temple", S. 61.
[ 31 ] vgl. Wenig, op.cit., S. 57.

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