Die Große Pyramide

des Königs Cheops in Giza

Die Bootsgruben I

Boot #1

Rekonstruiertes Boot im Museum an der Südseite der Cheopspyramide.

Die Anlage der BootsgrubenBis heute besteht das größte Rätsel der Grabanlage des Cheops in den fünf Bootsgruben, die sich an der Süd- und Ostseite befinden. Bootsgruben sind nicht auf diese Pyramide beschränkt, sondern bereits Bestandteil der Grabanlagen in der 1. Dymastie [ 1 ]. Bei Cheops treten Bootsgruben an drei unterschiedlichen Stellen in wahrscheinlich drei unterschiedlichen Variationen auf. Die Bootsgruben der Südseite (#1 & #2) sind einfache längsrechteckige Gruben, die tatsächlich Boote in zerlegtem Zustand beherrbergten (bzw. noch immer beherrbergen). Die Gruben #3 und #4 an der Ostseite haben wenigstens rudimentär die Form eines Bootes, wurden aber so gefunden, wie man sie noch heute sehen kann - ohne Inhalt. Grube #5 weist ebenso keine Funde auf, die auf ein Boot schließen lassen könnten, sie verfügt aber selbst über eine ausgeprägte Bootsform, die man über eine Treppe von Westen her erreichen konnte.

#1

1951 begann der Antikendienst unter der Leitung des jungen Architekten Kamal el Malakh mit der Reinigung des Geländes an der Südseite der Pyramide [ 2 ]. Bis zu 20 m hoch erhob sich dort der Schutt, der einer geplanten Straße im Weg war. 1954 schließlich war man bis auf antikes Niveau vorgedrungen, das die Reste der südlichen 2. Umfassungsmauer und zwei lange, ostwestlich ausgerichtete Gruben direkt darunter freigab. Die Gruben sind mit gewaltigen Kalksteinblöcken gedeckt. Die berühmte östliche Grube #2 brachte bei der Öffnung eine der sensationellsten Entdeckungen der ganzen Altertumswissenschaft ans Licht - die vollständigen Einzelteile eines bald 5000 Jahre alten Bootes. Dieses Boot wurde geborgen und meisterhaft restauriert. In Grube #1 liegt ein eben solches Boot noch heute. Es wurde bisher leider nicht geborgen! 1987 jedoch bohrte die National Geographic Society ein Loch in einen der Kalksteinblöcke und filmte mit einer speziellen Videokamera das darin befindliche Boot, das in alle Einzelteile zerlegt, aber in etwa passender Anordnung vorgefunden wurde [ 3 ]. Würde man auch dieses Boot zusammenbauen, das wahrscheinlich als Segelschiff getakelt wurde, würde es in jedem Fall größer als die Grube selbst sein. Die Untersuchung ergab aber auch wenig erfreuliches, denn es zeigte sich eine erhebliche Beschädigung des Bootes und möglicherweise einen Abwassereinbruch aus dem benachbarten Bootsmuseum [ 4 ]. Eine fachkundige Bergung ist dringend notwendig und unumgänglich, soll nicht weiterer irreparabler Schaden an diesem unersetzlichen Boot entstehen!

Grube #1 ist mit 40 Blöcken aus Kalkstein hermetisch dicht gedeckt - und zwar sehr wahrscheinlich in der Art, wie es bei Grube #2 gleich beschrieben wird. Ihre Ausmaße entsprechen etwa denen der Grube #1 (s.u.). Eine 3,35 m starke Wand aus gewachsenem Kalkstein trennt Grube #1 von Grube #2. Ihre theoretische Mittelinie befindet sich exakt auf der Nord-Südachse der Cheopspyramide [ 5 ].

#2 - Die Grube

Die Abdeckblöcke der Bootsgrube #2Grube #2 ist wie Grube #1 direkt aus dem gewachsenen Kalkstein eines Plateau-Vorsprungs geschlagen [ 6 ]. Der Abstand zur südlichen Basis der Pyramide beträgt 17,85 m. Die Blöcke, welche die Bootsgrube bedeckten, sind nicht von einheitlichem Maß, obwohl sie in identischer Weise auf ein einheitliches Felsbett gelegt wurden [ 7 ]. Der größte Block mißt 4,8 x 0,85 x 1,6 m und wiegt an die 20 Tonnen [ 8 ]. Trotzdem war die Verlegung derart exakt, daß sich das darin befindliche Boot über weit mehr als 4000 Jahre konserviert erhielt [ 9 ]. Dazu dürfte vor allem auch der flüssige Kreide-Mörtel beigetragen haben, mit denen die Spalten zwischen den Blöcken und die Risse im Stein aufgefüllt wurden. Abschließend wurde auch noch eine Lösung aus Gips und Wasser darüber ausgebreitet, um selbst noch kleinste Ritzen zu füllen [ 10 ]. Zur Nivellierung des Untergrunds über den Gruben wurde eine bis zu 40 cm starke Schicht aus gepresstem Kalksteinpulver und Splittern aufgelegt, in die Holzsplitter [ 11 ] und Holzkohle gemischt waren [ 12 ]. Die 2. Umfassungsmauer, über die später berichtet wird, wurde auf dieser Schicht und auf den Abdeckblöcken errichtet. Die Ausschachtung, die heute vom Bootsmuseum überdeckt wird, ist völlig gleichmäßig und verfügt trotz lediglich rauher Abarbeitung über vertikale Wände und einen ebenen, aber nach Osten hin abfallenden Boden. Maragioglio & Rinaldi schließen aus den Bearbeitungsspuren auf die Verwendung von Kupfermeiseln mit flacher, abgerundeter und schlanker Spitze [ 13 ]. Am oberen inneren Rand der Grube zieht sich über alle vier Seiten ein Vorsprung mit einer Stärke von 24 bis 90 cm. Nur auf der östlichen Seite und darunter findet sich ein weiterer Vorsprung von 40 cm. 24 cm unterhalb des Vorsprungs verläuft eine Linie in üblicher roter Farbe rings um die Grube herum, und unterhalb dieser Linie wiederum sind an der Südseite 10 Dreiecke gleichmäßig verteilt. Im oberen Vorsprung befinden sich an der Süd- und an der Nordseite 41 Löcher, die mit Mörtel aufgefüllt wurden. Offensichtlich sind diese in einer Linie mit den 41 Blöcken angebracht, welche die Grube bedecken. An der südlichen Ecke der Grube wurde ein Defekt im gewachsenen Kalkstein mit Mauerwerk ausgeglichen. Im Westen hatte man den Felsen so geschnitten, daß er eine Rutsche bildet, in der sich drei kleinere Blöcke befinden, die üblicherweise "key stones" genannt werden [ 14 ].

Schnitt durch die Bootsgrube #2, nach MR IV, Tav. 1, Fig. 8.

Löcher und Kerben, die mitunter sehr tief sind, befinden sich in der Süd- und Nordseite, sowie in den unteren östlichen und südlichen Abdeckblöcken. Maragioglio & Rinaldi nehmen an, daß sie bei der Einbringung der Steine Anwendung fanden [ 15 ]. Zu diesen Einrichtungen gehört auch ein halbkreisförmiges Loch und ebenso weitere drei Löcher, die sich 7,55 und 3,7 m entfernt von der Ostecke der Grube im Felsboden befinden. Zusätzlich wurden an der östlichen Ecke zwei Felseinschnitte und wiederum östlich davon weitere Löcher gefunden. Die Abdeckblöcke, die somit sicher von Osten her eingebracht wurden, sind quer auf den Vorsprung der Nord- und Südseite verlegt, der etwa 1 m hoch ist [ 16 ]. Die Vorsprünge liegen 3,45 m über dem Boden, wobei die absolute Tiefe der Grube 5,35 m beträgt. Die Gesamtlänge der Grube #2 beträgt 31,15 m, ihre Breite 2,6 m [ 17 ].

Zahlreiche Graffiti finden sich an den Blöcken und in der Grube; sie sind zum Teil von erheblicher historischer Bedeutung. Zunächst sind die bereits erwähnten gleichseitigen Dreiecke an der Südseite der Grube anzuführen, die in der üblichen pinkroten Farbe ausgeführt sind [ 18 ]. An der Oberseite befindet sich jeweils das hieroglyphische Zeichen für "Elle". In den Dreiecken wurden unterschiedliche Zahlenangaben, deren Sinn möglicherweise in der Unterteilung einer geraden Linie liegt - vielleicht in Bezug zum Boot selbst - angebracht. Eine Erklärung konnte bisher nicht gefunden werden [ 19 ]. Zwischen dem 5. und 6. Dreieck (von Westen gesehen) sind die hieroglyphischen Zeichen für "Höhe" und "Hand" angebracht.

Dreiecke an der Südwand der Bootsrube #1, aus Abubakr, Funerary Boat, p. 7, Fig. 3, Ausschnitt.

Die Steinbruchmarken auf den Abdeckblöcken sind zum Teil auch in scharzer Farbe ausgeführt. Unter den ockerfarbenen Markierungen finden sich auch solche, die im Steinbruch die Größe des angeforderten Steins bestimmen sollten. Zwischen diesen Maßen, die in Höhe, Breite und Länge angegeben sind, und den tatsächlichen Maßen der einzelnen Abdeckblöcke, besteht praktisch immer eine Diskrepanz von bis zu etwa 15 cm. Die Genauigkeit der Arbeiten im Steinbruch zwischen "Bestellung" und "Lieferung" kann also durchaus solche Abweichungen beinhalten [ 20 ].

Zwei Beispiele für die Steinbruchmarken der Abdeckblöcke. Rechts der Name des Djedefre in einer Kartusche,
nach Abubakr et.al., Funerary Boat, p. 10, Fig. 5.

Der historische Wert der Graffiti besteht in der häufigen Nennung des Namens Djedefre. Der Sohn des Cheops und sein direkter Nachfolger, nach dem hier auch die Arbeitskolonnen benannt sind, hat in jedem Fall diese Boote eingebracht, und er ist somit nach einhelliger Auffassung und konsequenterweise der Ausrichter des Begräbnisses seines Vaters [ 21 ]. Die Schiffe - wenigstens die der Südseite (#1 & #2) - sind demnach vielleicht als Grabbeigaben zu verstehen und haben primär nichts mit dem Symbolgehalt der Grabanlage selbst zu tun. Eine alternative Erklärung wäre, daß Cheops diesen Teil der Anlage zwar schon geplant hatte, die Fertigstellung jedoch nicht mehr erlebt hat - eine Aufgabe, die zum Pflichtteil seines Sohnes geworden sein könnte. Die Gruben #1 und #2 liegen zudem ausgerechnet an der Stelle, an der sich eine primäre Rampe erstreckte, sodaß sie in beiden denkbaren Fällen erst am Ende der Arbeiten im Grabbezirk errichtet werden konnten [ 22 ]. Djedefres Name erscheint insgesamt 18 Mal in Kartuschen [ 23 ], Cheops' Name aber überhaupt nicht. Der Name einer Arbeiterkolonne lautet z.B. "Gang of Djedefre, the Ruler" [ 24 ].

Zwei Beispiele aus den Graffiti der Abdeckblöcke, die eventuell die Cheopspyramide zeigen könnten,
nach Abubakr et.al., Funerary Boat, p. 10, Fig. 5.

Neulich wurde die Vermutung angestellt, es könnte bei einigen Graffiti die Pyramide des Cheops dargestellt worden sein [ 25 ]. Tatsächlich finden sich insgesamt zwei Szenen, die diese Annahme immerhin möglich machen könnten [ 26 ]. Eine entgültige Erklärung dieser Marken gibt es nicht. Ebenfalls auffallend häufig dargestellt - und im Zusammenhang überhaupt nicht geklärt - sind w3s-Szepter, ankh-Zeichen, htp-Hieroglyphen und Fische [ 27 ]. Umstritten ist das 11. Jahr einer Zählung auf einem der Abdeckblöcke, das ohne Zusammenhang zu einem Königsnamen erscheint [ 28 ]. Konsequenterweise wird man es Djedefre zurechnen müssen, was allerdings der häufig vorgebrachten Annahme zuwiderläuft, er hätte nur 8 Jahre regiert - so wie es der Turiner Papyrus annehmen lassen könnte [ 29 ].

Anmerkungen

[ 1 ] O'Connor, Boat Graves and Pyramid Origins; ders., The Earliest Royal Boat Graves; Emery, Hor-Aha, p. 18, Pls. 3, 8. Generelle Fragen zu Bedeutung von Bootsgruben werden gesondert behandelt.
[ 2 ] Abubakr & Mustafa, p. 1. Achtung: Die Nummerierung der Bootsgruben variiert mit jeder Publikation.
[ 3 ] Stadelmann, Giza, S. 163; Lehner, Weltwunder, S. 118f; Zusammenfassung der Details bei El-Baz, p. 350f.
[ 4 ] Stadelmann, ibd.
[ 5 ] MR IV, p. 72 u. Tav. 1, Fig. 1.
[ 6 ] Abubakr, p. 1.
[ 7 ] MR IV, p. 70ff.
[ 8 ] ibd. S. 72; Abubakr, p 1.
[ 9 ] MR IV, p. 170, Obs. 54; Abubakr, p. 2.
[ 10 ] Abubakr, p. 2.
[ 11 ] Zedern und Akazie; Abubakr, p. 1.
[ 12 ] MR IV, p. 72.
[ 13 ] ibd.
[ 14 ] MR IV, p. 72, geben im Text fälschlich fünf an, vgl. Hawass, Funerary Establishment, p. 56.
[ 15 ] ibd.
[ 16 ] MR IV, p. 72; Abubakr, p. 2, 6.
[ 17 ] Abubakr, p. 2.
[ 18 ] ibd., p. 6ff.
[ 19 ] ibd.
[ 20 ] ibd., p. 8.
[ 21 ] ibd., p. 12.
[ 22 ] Hawass, Pyramid Construction, S. 57ff.
[ 23 ] Hawass, Funerary Establishment, p. 56.
[ 24 ] Abubakr, p. 12.
[ 25 ] Haase, Cheops, S. 209.
[ 26 ] Abubakr, S. 10, Fig. 5.
[ 27 ] vgl. ibd., pp. 9-11, Fig. 4-6.
[ 28 ] ibd., p. 11, Fig. 6, unten links.
[ 29 ] vgl. die Diskussion bei Krauss, Chronologie und Pyramidenbau, S. 3f.

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